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Texte von Björn Ziegert

Die dunkle Unke

Es muss schon in den neuen Arbeitsräumen gewesen sein, ich war damals vielleicht sieben oder acht. Das Burian-Bild hing rechts neben den großen Fenstern. Die Vorhänge waren geschlossen, nur die Schreibtischlampe brannte (mein Vater meinte, so bliebe es schön kühl, und man könne bei der Hitze arbeiten). Es war dunkel und ruhig, etwas stickig. Ich saß auf dem Gästesessel.
Er war gerade zurück von der Reise, packte seine Aktentasche aus. Grabungsberichte aus Ecuador, Ring-Tabletten, Taschentücher, ein paar kleinere Fundstücke in Tüten und – eingewickelt in dünnes Papier – die dunkle Unke.
Sie war gut faustgroß, eine schwarze Steinfigur, glatt poliert. Der Körper schräg nach vorn geneigt, wie kurz vor dem Sprung. Kein Hals, nur ein breiter Mund, drohend nach unten gezogen – missmutig wohl, weil man sie nach tausend Jahren aus ihrer Grotte gezerrt hatte. Ihre Augen waren nach außen gestülpt, mir wurde schlecht von ihrem Blick.
Mein Vater nahm die Figur, hielt sie unter die Lampe. Im Licht jagte ein Schauer über die Unke, und was schwarz gewesen, glänzte nun in einem tiefen, satten Grün. Wie nasses Moos, in dem die Sonne glitzert.
Ich wusste, daß man ein Geschenk nicht erbittet, und zögerte lange, bevor ich fragte. Helmut lachte nur, sagte, da müsse ich schon warten, bis er gestorben sei.
Er fand dann, sie mache sich gut als Briefbeschwerer. Und so stand sie die ganzen Jahre neben seiner roten Schreibunterlage, gleich bei dem Taschentuch, auf dem er die Kugelschreiber abstrich. Und immer wenn er abends oder tief in der Nacht ins Arbeitszimmer ging und die Schreibtischlampe anschaltete, jagte ein Schauer über die Unke und tauchte den Raum in Grün.
Nun ist die dunkle Unke hier bei uns, der Liebsten ist sie etwas unheimlich. Manchmal fällt ein feines Licht auf den Stein, dann ist der Schauer kaum zu sehen, und ist ganz warm und golden. Doch wir wecken sie nicht oft.

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