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Texte von Björn Ziegert

Alles ist gut!

Weg! Ich will das gar nicht sehen!
Weitergehen, weitergehen!
Hier ist eben nichts geschehen
Weiter! Nicht zur Seite drehen!
Doch, er ist bestimmt am Leben
Und ich kann ihn gar nicht heben
Der wird hundert Kilo wiegen
Besser lass' ich ihn da liegen
Seine Hosen sind zerrissen
wie von einem Hund gebissen
Warum muss der Mann auch trinken?
Und so widerwärtig stinken?
Nein, ich bleibe hier nicht stehen
Und ich will das gar nicht sehen
Nicht den Kopf zur Seite drehen
Weitergehen, weitergehen!

14 Kommentare

War ein netter Rausch gewesen
stand zu lange nur am Tresen

alkohol und fuselduft
hilfeleistung ist verpufft

weil der mensch tief in der seele
hippokratessen eid bewahrt,
er beim anblick großer leiden
nicht mit hilfestellung spart.

alkohol und fuselduft
hilfeleistung ist verpufft

vierundzwanzig mal geholfen,
vierundzwanzig mal gehetzt,
ohne danke weggeschoben,
mit nem schubbs in sand gesetzt.

alkohol und fuselduft
hilfeleistung ist verpufft

trotzdem, wenn da einer liegt,
sich in agonie verbiegt,
sei ein retter sei ein freund
wie du es dir selbst erträumt.


dieses eine mal war wichtig,
dieses eine mal war gut
jetzt war deine hilfe richtig
weitermachen, los, nur mut...

Ich wollte schon weitergehen, weitergehen. Da dachte ich, es wäre vielleicht nett, die Zeilen zu kommentieren:

Wir lassen uns nicht gerne stören.
Das wird zum Menschsein wohl gehören.
Und Menschlichsein wohl eher nicht.
Das ist schon eher eine Pflicht.
Wenn Pflicht und Neigung einig sind,
wird menschlich erst human geschwind.

Liebe Grüße
Helmut

Ein Mann ist ein Mann -
ob er steht oder weitergeht.
Und die Frau?
Genau!!

warum muss der mann auch trinken und so widerwärtig stinken?

manche menschen sind manchmal zu schwach für das harte leben,
doch solche können uns einen dadurch anstoß geben.

zu leben und zu kämpfen,
nicht aufzugeben.

Saugut!

"Heut Nacht bleibts warm", der Mann vom Wetter
- "Dann schlaf ich draußen, ist eh netter"

- - Wie Paul Spinger schon sagte!

Ach lasst mich doch in Ruhe
in der Gosse liegen.
Und tropfts auch in die Schuhe,
werd keine Lungenentzündung kriegen.
Habt ihr noch nie nen Trinker gesehen,
um euch ists wohl noch nie geschehen?
Geht sittsam schnell vorbei an mir,
sonst kotz ich aus das schale Bier.
Ich wollts lieber drin behalten!

Kleine Aster

Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
Zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!

Gottfried Benn

Günter, ich muss Dich warnen. Menschen, die im Vollrausch auf dem Bürgersteig liegen, werden oftmals Opfer von Gewaltverbrechen. Ich selbst gehöre zu einem lockeren Verbund von Serienmördern, die mit der Aktion 'Freie Straße' schon viele Freunde gefunden haben - zumindest hier in Barmbek. Meine erste Tat habe ich noch gut in Erinnerung: Ein Abend im Mai. Den ganzen Tag schon hatte ich Kopfschmerzen, das Telefon klingelte wohl hundertmal, und die Schreierei von den Kollegen machte mich fast wahnsinnig! Spät in der Nacht erst kam ich heim - und vor unserer Tür lag dieser Haufen Trunkenheit. Erst wollte ich ihm einen Streich spielen und ihm die Schuhe klauen, aber dann kam mir das unsportlich vor. Immerhin - was ist ein Mensch ohne Schuhe?

Gabriele Brunsch, jemandem ein Retter und ein Freund zu sein, ist ein hohes Ziel. Wir von 'Freie Straße' glauben daran, denen, die da liegen, eine Rettung zukommen zu lassen, die dauerhafter ist als ein paar warme Worte und eine kratzige Decke. Warmherzigkeit zeigt sich doch erst in dem Bemühen einen Menschen zu erlösen. Ihn aus der Gosse zu holen und ihn diesen Fuselduft nie mehr riechen zu lassen. Und ich bin mir ganz sicher - all die Männer und Frauen sind viel glücklicher nun. Und dankbar. Und was ist dagegen schon dieser kurze Moment, in dem sie den blanken Stahl sahen?

Helmut Maier, "Wenn Pflicht und Neigung einig sind" - das sollte der neue Wahlspruch von 'Freie Straße' sein. Es sind einige unter uns, die eine gehörige Portion Talent mitbringen. Und die mehr aus Neigung denn aus Pflichtgefühl Gutes tun. Eduardo, den wir nur 'das Stilett' nennen, verspürte den Ruf schon in früher Kindheit. Ich hatte Tränen in den Augen, als er im Clubheim von seinem Kindergarten sprach. Von den Kleinen, die keine Brottasche hatten. Von den Mädchen ohne Turnbeutel. Und von dem Frieden, den er ihnen gab.

quersatzein, nun sollte ich wohl doch von der erstenFrau erzählen, der ich helfen konnte. In den Zeitungen konnte man später ihren Namen lesen - sie hieß Jolante. Dass Jolante seit Jahren abstinent war, konnte ich nicht wissen. Dass sie die Uniform der Heilsarmee nicht zum Spaß trug, daß sie nur wegen eines Schwächeanfalls am Boden lag - niemand hat mir das gesagt! Und ich gebe hier offen zu: Mir kommen Zweifel, ob es richtig war, Jolante in den Fluss zu werfen.

monfiwi, ich kann Dir versprechen, daß ich nicht aufgebe. Wie meine Clubkameraden werde ich Nacht für Nacht die Barmbeker Straßen durchkämmen. Ich werde die Schwachen suchen. In den Büschen vor der Eckkneipe werde ich auf sie warten und sie von dem Leid erlösen. Manchmal bete ich für sie. Ich gehe in die Kirche und zünde einige Kerzen an. Eine Kerze für jeden meiner Engel. Auf der Empore sehe ich sie dann aufgereiht zu stehen. All die vielen Seelen. Und sie winken mir zu und sie lachen und sind glücklich. Dann weiß ich, daß es richtig war, sie vor Petrus Pforte zu bringen.

Paul Spinger, Ihr freundliches Kompliment erinnert mich an einen Kollegen, den ich vor Jahren im südlichen Barmbek traf. Hermann (Künstlername 'der Drücker') pflegte einen ähnlichen Sprachgebrauch. Er leerte bevorzugt Nachtasyle für Obdachlose, und ich lernte eine Menge bei ihm. Was waren das für Nächte! Hermann immer vorneweg. Unermüdlich bis zu seinem frühen Ende (seine Frau!). Noch immer hängt sein Eichenstecken bei uns über dem Kamin. Hermann, ich vermiss' dich!

Dresi, draußen schlief ich zuletzt vor einigen Wochen. Meine Liebste hatte mich zu einem Psychologen geschickt (weiß Gott, was das sollte!), und mir gefiel seine Art überhaupt nicht! Wie er sich einmischte! Was er alles auszusetzen hatte! Und dann diese moralinsaure Nörgelei an meiner gemeinnützigen Arbeit! Ich habe mir das geduldig angehört und dann entschieden, daß diesem Mann geholfen werden muss. Lange lag ich vor seinem Haus auf der Lauer, bis ich eines Nachts ein leicht alkoholbedingtes Schwanken zu sehen glaubte. Ich will mich hier nicht zum Richter aufspielen, aber wenn die Kanaille vor seinem Schöpfer steht, sollte er sich seine Frechheiten abgewöhnt haben und ein wenig höflicher sein!

Holger, Du also auch! Na warte! Komm ruhig nach Barmbek. Und sag mir vorher Bescheid! Sonst ist einer aus dem Club schneller als ich und zeigt Dir vor mir Dein Himmelreich!

@miro, aus Deinen Zeilen (und schöne sind es!) lese ich heraus, daß Du ein Bruder im Geiste bist. Fasziniert von Deiner Idee, lief ich ins Clubhaus und berichtete von Deinen floralen Verschönerungen (denn wir wissen doch beide, wer dem Bierfahrer das Grünzeug zwischen die Lippen schob). Alle Kollegen waren begeistert! Nun, vielleicht haben nicht alle die Poesie verstanden, denn soeben lese ich in dem Extrablatt, daß mehrere Leichen aufgefunden wurden, die ungewöhnliche Gegenstände im Mund trugen. Typisch Barmbek - sprich von Blumen, und du hast Glück, wenn etwas anderes als ein Autoreifen dabei herauskommt (Da hat Willi aber auch wirklich übertrieben!). Doch lass Dich bitte von den Barmbeker Banausen nicht entmutigen! Sei uns ein Vorbild und schreite mutig voran!

Als Dank für die vielen Kommentare gibt es heute selbstverständlich ein paar Stiefel - und etwas modernere als die vom Kater.
Wenn sie nicht passen - geht zu Bob! Der kriegt alles hin!

Ich wollte schon weitergehen, dann fiel mir mein Gedicht aus "meiner Schatztruhe" ein.

Obdachloser vor dem Kaufhaus

Windig, kalt.
Er sitzt dort - alt -
mit nacktem Zeh.
Das tut mir weh.
Ich geh,
kauf' ihm Socken.

Will er lieber Wein?
Zwei Socken für ein Bein.

„Madam,“ sagt er, „das gibt es nicht.“
und Rührung überzieht sein Gesicht .
„Sowas hat es noch nie gegeben -
und glauben sie mir, ich kenne das Leben.

"Sie kennen das Leben?
Ach, eh ich's vergesse.
Geben sie mir doch
seine Adresse.“

Habe mit Vergnügen bei Dir gelesen
Barbara Hauser

giocanda, Dein Gedicht erinnert mich an einen Abend auf dem Kiez, als wir auf billigen Plastikstühlen vor einer italienischen Rotlicht-Trattoria saßen. Wir redeten mit einem Obdachlosen, und sein Rat für unser Leben fiel recht deutlich aus: "Munitssssion und ein scharfes Maschinengewehr!"
Allerdings hatte er noch nicht wie Norman diesen Kokain-Kram am Hals.

Dieser Ratschlag wäre wohl nichts für eine "sozial angepasste Dame".
Ihr Gesicht hätte ich gerne sehen mögen - Situationskomik pur.

So ähnlich war es in der Tat. Wir kippelten während des Gespräches vergnügt auf den Plastikstühlen und wären bei seinem Rat fast hintenüber gefallen!

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