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Texte von Björn Ziegert

Time Warp, Mannheim

A-Seite

Gedränge, Menschen dicht an dicht
Der Bass, der Rhythmus, buntes Licht
Da vorne peitscht der DJ ein
Zig tausend Arme. Alle schrei'n

Die Szenerie erinnert fast
an '43, Sportpalast
Doch heute schreit hier niemand 'Sieg'
Und niemand will 'totalen Krieg'

Wenn sich noch irgendwer beschwert
die Jugend sei heut' nichts mehr wert
dann soll er mal nach Mannheim geh'n
wo keine braunen Fahnen weh'n


B-Seite

20.000 junge Leute
und wohl doppelt so viel Pillen
Tanzen kann die hübsche Meute
besser ohne freien Willen

11 Kommentare


fast zu weinen vom Glück so etwas nicht jede Tage
nach B-Seite blieb mir der Strick wegen Pillenplage

würden die sich doch endlich beugen und mit CDs oder MP3s auflegen...

Wer A schreit, schreit gerne auch B
und denkt nicht an C oder D.
Auch Münzen mit Kopf und mit Zahl,
die stellen nur AB zur Wahl.
Wer kreischt, will Ekstatisches sehn
und schreien bis 2010...

Zugekifft mit Pillen
ohne freien Willen
lässt sich keiner drillen (killen)
kein Einstieg
in den Krieg
wer schreit noch
"Heil und Sieg"
nur wegen seines Blutes
ausgepowert
keiner tut es

alles hat sein Gutes

ich mag die Time Warp. Die Musik ist super und das Ereignis einzigartig. Das mit den Pillen und dem Kiffen ist ein Vorurteil, nicht jeder braucht das, um gute Musik zu genießen.

Aufklärung bitte ...

Arme?

Materiell arm kann nicht sein,
wer kommt 'ohne Geld' hinein?
Viele Arme, die sie heben
oder Arme, die hier beben?
Arm im Geiste damals schon,
dreiundvierzig - gleicher Ton?
Fahnen jetzt vom Alkohol
oder Speed als Monopol?

Mannheim war mir stets ein Graus,
so sieht kein schönes Städtchen aus.
Menschen nur in Blöcke geblockt,
da hat mir der Atem schon damals gestockt,
denn Städte in denen Namen der Straßen fehlen,
mir lediglich zur Kategorie Ghetto zählen.

Technokram ist nicht mein Fall und Drogenkram erst recht nicht.
Stattdessen zu Metallica (Mai) - nüchtern, freudig, friedlich.

@miro, auch wenn ich Dir versichern kann, daß die Lage in Mannheim für einen Strick nicht besorgniserregend genug war, gingen meine Gedanken in die gleiche Richtung wie Deine: viele Dinge mögen schön sein, aber sie haben oft zwei Seiten.

Marga, natürlich hat das praktische Vorteile. Aber Eingeweihte versichern mir, daß der Klang weniger satt ist. Gegenvorschlag: Vinyl beibehalten und die Menschen durch Maschinen ersetzen?

Quer, kann mich an eine Szene vor Jahren erinnern: junger Typ sitzt (ohne Gehörschutz) vor einem riesigen Boxenturm und lächelt glücklich seinen nahenden Gehörsturz an. Das passiert sicher irgendwo jeden Tag, und der Musikstil hat wenig damit zu tun. Aber trotzdem: manches ist vielleicht etwas zu laut.

ahora-giocanda, wollen hoffen, daß sie nicht nur zu berauscht und erschöpft sind, um das braune Hemd anzuziehen. Vielleicht haben die Menschen etwas gelernt. Kann ja ganz nützlich sein, so ein Blick in die Geschichte.

J.A., mir hat es auch sehr gefallen. Und das 15jährige Jubiläum war sicher auch kein schlechter Termin, um nach Mannheim zu fahren. Mir ist aufgefallen, daß die Leute im Unterschied zu Hamburg jünger waren. Und auch im Schnitt weniger verstrahlt aussahen. Insofern hast Du wohl Recht. Aber elektronische Musik und Pillen liegt schon nahe bei einander. Da reicht bei vielen Ravern ein Blick in die Augen.

manacur, der Blick in die Menge auf so einem Festival ist schon überwältigend. Hatten gute Pässe und konnten uns das Ganze von der Bühne her ansehen. Irres Gefühl, das ein DJ haben muss, wenn ihn tausende Gesichter anstrahlen. Und wenn tausend Arme in die Luft gereckt werden, sobald Carl Cox ein Zeichen gibt.

Fabian, witzigerweise saßen wir vor ein paar Tagen mit Kollegen von der Allerliebsten zusammen, und einer von ihnen sagte nach ein, zwei Stunden Gespräch zu mir: "Ja, dann würde dir Mannheim sicher auch gefallen". Dass Ghettos menschenverachtend sind, und daß man jedem ein Leben in schöner Umgebung wünscht  —  keine Frage. Aber neben wilder Natur schätze ich auch die Industriebrachen, die Türme, die Güterbahnhöfe. Die Ghettos. Das war immer schon der Ursprung von viel Kreativität.

Dresi, unsere musikalischen Vorlieben unterscheiden sich leicht - aber darüber haben wir uns ja schon ausgetauscht. Im Mai wünsche ich Dir viel Spaß! Genieß es. Wir können uns ja weiter bei den alten Klassikern die Hand reichen.

Nun bleibt noch das Geschenk des Tages. Als Dank für die Kommentare und Gedichte. Heute ist es passenderweise eine Platte der wohl besten Band überhaupt.
Richtig ist aber wohl, daß man bei aller Detroit-Verklärung nicht annehmen sollte, daß ein Ghetto etwas Schönes ist:
   Audio-Slide

Welch' schöne Städt' an Rhein,
da fallen mir glatt Zwölfe ein.
Selbst am Neckar gibt es Orte,
die sind von der besond'ren Sorte.
Übertrieben wär's doch,
würd' ich sagen:
der Südwesten
gehöre zum Besten
was Mutter Erde vollbracht'.
Wein, Burgen, steile Täler
brachte schon so manchen Wähler
an den Rand des Wahlsinns,
dabei schon zum Blödsinn neigt
wie uns manch' Politiker zeigt.
Schöne Städte
gibt's da schon
dies' verrat' ich
ohne Hohn.
Eins weiß jeder, selbst ich und du:
Mannheim gehört nicht dazu.
Denn außer Ellenbogen, Dreck und Auto-Jüngern
gibt's dort wenig.
Und gegen die Abwesenheit von Fahrradwegen
hilft auch kein Fegen und kein Degen.

Ich hoff', ich trat niemanden
mit Füßen
und verabschiede mich mit freundlichen Grüßen:
Markus

Markus, danke für das tolle Gedicht und die Infos! Habe Mannheim nur bei Nacht gesehen. Das mit den Fahrradwegen ist in der Tat bedenklich. Was den Neckar angeht, kenne ich eigentlich nur Stuttgart. Aber da fiel mir schon eine gewisse Überwachungs-Atmosphäre auf. Und die Wahlen? Ja, die entwickeln sich schon hier in Hessen in letzter Zeit in eine schräge Richtung. Aber zurück zu Mannheim. Bei allen Nachteilen: kommt aus dieser Stadt nicht eine Menge Kunst?   Audio-Slide

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