wortgebrauch Gedichte Texte Satire

Texte von Björn Ziegert

Darf ich mitspielen?

Hau schon ab, verpiss dich! Keiner will dich hier, du Wicht!
Oder hast du Zähne über, blödes Milchgesicht?
Was ist das? Ein Ball? Und auch noch neu! Na, gib schon her!
Und der neue Rucksack ist für dich doch viel zu schwer
Ach, der Kleine wehrt sich. Mann, ich schlag' dich grün und blau!
Scheißegal, ob der schon blutet. Hier, du dumme Sau!
Runter, in den Kantstein beißen! Alter, ist das grell!
Was da alles rauskommt! Besser weg hier, aber schnell!

24 Kommentare

Ich verpisse mich ohne Worte: nur zuhause in meinem Zimmer - ganz allein - sehr leise sage du Schwein und dann verängstigt wieder schnell bereue…

Grausam, feige und gemein -
was muss das für ein Scheusal sein!
Man möcht' die Kleinen besser schützen
und weiss genau: Es wird kaum nützen...

Wer den Militäreinsatz am Hindukusch nicht Krieg nennt, könnte der sich über so eine Gesellschaft wie die im Gedicht skizzierte wundern?

Liebe Grüße
Helmut

Gib' auch mal gleich dein nagelneues Handy her,
denn meine Handy-Karte ist gerade wieder leer.
Und deine Jacke passt perfekt zu meinem Schal,
sie ist mir zwar ein bisschen klein, aber egal.

Manchmal fühle ich mich hilflos. Weil Helmut Maier recht hat.

Niemand schaut, als er haut.
Passanten passieren.
Was passiert, das passiert.
Nicht schauen. Wer schaut, der verliert.

Leider gerade mal wieder grausige Wahrheit geworden, letztes Wochenende in München ...

Da sollen ja 15 Leute vorbeimarschiert sein, ohne einzugreifen! Unfassbar! Die Münchener. Sicher keine Antwort auf das Problem, aber vielleicht sind da mal ein paar Stunden Escrima und ein Einkaufsbummel zu Bill angebracht:
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Passiert nur leider auch außerhalb Münchens!

Ronald, das kann nicht sein! Außerhalb Münchens sieht es fast überall folgendermaßen aus:
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Grausame Realität lyrisch aufbereitet. Der verrohten Gesellschaft wird der Spiegel vorgehalten.
tjm.

Eine andere Momentaufnahme unserer hilflosen Gesellschaft und irgendwe sind wir alle Mitspieler

Münchener Hauptbahnhof
Samstag, 27. Juni 2009, 11 Uhr

... Sie schaut, ob sie helfen kann.
Im Rinnstein liegt ein Mann.

... Ein Alkoholiker nuschelt gewitzt
seinen Spruch herunter,
riecht ziemlich verschwitzt
... die S-Bahn-Karte kaufte ich eben,
gebt mir das Geld - ich will sie
dem Mann im Rinnstein geben.

...Ihre Kinder bleiben (aus Gewohnheit) "außen vor",
das sähen sie täglich (auf dem Schulweg) am Marientor.
Sie wirken desinteressiert (aus Selbstschutz?), fast kalt.

... Ihre Großeltern schweigen, sind schon alt.

Ein Filmabriss, schnell ausgeblendet,
von dem man sich erleichtert abwendet.
Das geht sie irgendwie nichts an.

"Schaut, dort kommt die Straßenbahn!"

Du hast gut, treffend, knapp geschrieben.

Eine Geschichte, wie sie bestimmt oft passiert, leider.
Warum? Warum muß es immer die geben, auf die man hauen kann, warum muß es die geben, die man quälen will? Wirkliche Macht kann sich in Gewalt nicht ausdrücken. In der Gewalt zeigt sich Ohnmacht.
Ohne Macht sein und sich durch Gewalt abreagieren.
Entsetzlich, diese Vorstellung.

@miro, wenn ich an die vielen denke, denen es wirklich so geht - Kinder, die verängstigt in ihren Zimmern hocken, und den nächsten Tag, den Schulhof, die große Pause fürchten, frage ich mich, warum man oft von 'glücklicher Kindheit' oder 'unschuldigen Kindern' spricht. Wollen hoffen, daß sie einen Rest Glauben behalten.

Quer, beschützen möchte man auch so einige Erwachsene. Bin nicht sicher, ob schweres Leid mit dem Alter wirklich erträglicher wird. Alles nur Menschen.

Helmut Maier, schön politisch gedacht, und ich stimme Dir in allem zu. Aber jenseits von den Verhältnissen, die Gewalt erzeugen, ist das Rohe wohl auch ein Teil des Einzelnen. Ziehen wir die schlimme Prägung ab, bleibt manchmal immer noch eine Menge psychischer Schrott übrig.

Wolfgang, die Sinnlosigkeit von Gewalt unter Kindern ist oft wirklich erstaunlich. Auch wenn die Jacke zu klein ist: die Angst in den Augen des anderen ist Motivation genug. Und auf dem Schulhof gilt immer noch: Nicht heulen! Schluck's runter!

Litteratte, vielleicht sind es die kleinen Dinge, die helfen. Ein wenig Engagement gegen die Hilflosigkeit. Also bei der nächsten Rauferei unter Kindern, die Du siehst: ruhig mal Partei ergreifen und ordentlich mitprügeln! Sich mal grade machen, Gesetz der Strasse und so.

Dresi, da haben wir eins der wirklichen Probleme. Allerdings gehört in einigen Vierteln Mut dazu. Und man sollte auch nicht aus allen Schäfchenwolken fallen, wenn so ein Knirps dann ein Messer zieht. Sind manchmal tierisch fit die Kleinen.

Tasso J. Martens, das ist imho eine Rolle, die Lyrik spielen sollte. Auch wenn ich viele sehr schätze, die sich mit Introspektion beschäftigen, mag ich doch das Politische, das Dunkle, die Meckerziegen.

Ahora-Giocanda, treffend! Und für alle zukünftigen Momente, in denen wir an Menschen vorbeigehen, die nach Alkohol riechend im Rinnstein liegen (und nicht mehr nuscheln), hier ein Tip, um herauszufinden, ob es dem Menschen wirklich schlecht geht: Wenn man mit dem Finger leicht über die Wimpern streicht, zuckt das Auge, wenn er nur seinen Rausch ausschläft. Wenn das Auge nicht mehr zuckt, ist er bewusstlos - dann sollte man schnell handeln.

Bruni Kantz, mein Verhältnis zu Gewalt ist etwas positiver. Im Wohnzimmer meiner Oma hing in einem Rahmen ein gehäkelter Spruch an der Wand: "Ein gezielter Hieb zur rechten Zeit hat verhütet so manches Herzeleid". Und glaubt mir: so hat sie gelebt. Ihren Rohrstock nannte sie 'Dickfellmacher' ("Nur wenn Du ein dickes Fell hast, wirst Du im Leben vorankommen!").

Als Dank für die sehr menschlichen Kommentare und Gedichte geht morgen (per Kurier!) an jeden von Euch ein Hilfsmittel, das jeden Streit umgehend entschärft: ein Deeskalator.
Stellt ihn Euch hinter die Haustür und vergesst nicht ihn mitzunehmen, wenn Ihr unterwegs seid oder auf Reisen geht:
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dickfellmacher - dieses Wort kannte ich bis eben noch nicht. Ich habe also keinen kennen gelernt. Ich habe eine dünne Haut behalten. Ein dickes Fell ist Gold wert. Man fühlt nicht alles, doch ist es wirklich gut, nicht alles zu fühlen?
Dinge, die nicht fühlbar sind, können nicht nachvollzogen werden. Kann man etwas nicht nachvollziehen, ist man geneigt, sie nicht ernst zu nehmen, darüber hinwegzugehen, sie zu überspielen, sie zu ignorieren. Eine Gesellschaft, die nicht fühlt, ist ergo eine gefühllose Gesellschaft.

Bitte packt die Dickfellmacher ein! Packt sie auf den Dachboden oder versenkt sie in der See. Packt die Gefühle aus und seht nicht weg, wenn etwas passiert, bei dem man etwas tun könnte.

LG von Bruni

Bruni Kantz, auch wenn ich Deine mitfühlende Haltung teile und mir wünsche, die Welt würde sich eine Scheibe davon abschneiden, rebelliert doch alles in mir, wenn ich Deine Schlussfolgerung lese. Dazu muss ich sagen, daß meine Oma bei diesem Thema starken Einfluss auf mich ausgeübt hat. (zur Erinnerung: diese Frau hatte es in sich! Als damals die ersten russischen Truppen in das pommersche Dorf einrückten, kam es zu unheilvollen Übergriffen. Meine Oma wurde von einer acht Mann starken Truppe russischer Soldaten, die meisten stammten aus dem östlichen Ural, in die große Scheune neben dem Wohnhaus geschleppt! Sie hatte sich den Schergen dargeboten, als diese meine damals 16jährige Tante gegriffen hatten. Als das junge Tantchen ihre Mutter mit den Soldaten in der Scheune verschwinden sah, schrie sie voller Verzweiflung, warf sich auf den Boden und riss sich Haare aus. "Doch nicht meinetwegen, das ertrage ich nicht! Nicht meinetwegen! Oh Gott, Mutter!" Doch sie hätte diese gestandene Bäuerin besser kennen müssen. Als das Scheunentor hinter ihnen zufiel, war es einen Augenblick still. Dann rumpelte es kurz, ein hohes sirrendes Geräusch, Krachen und dann nur noch laute Schreie. Diese Schreie stammten ausnahmslos von der russischen Soldateska! Keuchen, Stöhnen und Hilferufe in fremden Sprachen; Scheunenwände, die erzitterten, als ob schwere Körper mit Wucht gegen die Bretter geworfen würden, ein dumpfes Dröhnen und immer wieder dieses sirrende Geräusch. Schließlich kehrte Ruhe ein. Einige Minuten noch, und meine Oma öffnete von innen das Tor der alten Scheune. Recht vergnügt zupfte sie ihren Rock zurecht, trat auf ihre sprachlosen Kinder zu und strich meiner Tante über die Haare. "Machste deiner Mutter mal'n Kaffee, mien Deern!"
Nach Erzählungen, die noch heute unverändert in Polen kursieren, sind die Russen noch am selben Tag aus dem Dorf abgezogen und haben es, sogar das Kirchenbuch bestätigt dies, nie wieder betreten.
Ungewöhnlich ist, daß nur fünf schwerverletzte Russen von ihren Kameraden aus der Scheune gerettet wurden. Von den übrigen drei Männern fehlte jede Spur, und meine Oma hat bis zu ihrem Tod kein Wort über diese Sache verloren)
Man mag dazu stehen wie man will, aber die Lehren meiner Großmutter sind mir besonders in L.A. eine unschätzbare Hilfe gewesen:
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Deine Oma muß eine sehr starke Frau gewesen sein. Ich bin anders und hätte mich in dieser Weise nie wehren können.

Stärke mitbekommen ist gut und richtig. Gefühllos zu sein ist eine andere Geschichte. An einem Ort, an dem nur die Harten überleben, die für den Lebenskampf ordentlich gestählten, da würde ich evtl. schnell untergehen. Es kann aber auch sein, daß mich ein starker Überlebenswille tragen würde, schließlich wurde mein Vater im Riesengebirge geboren....

Dein Überlebenswille wird Dich noch überraschen. Immerhin bist Du die Tochter Deines Vaters. Ich hatte einmal die Gelegenheit, Chris kennenzulernen (und glaub' mir, das Jochbein tut mir heute noch weh, wenn das Wetter wechselt). Allerdings hatte ich keine Ahnung, daß er aus dem Riesengebirge kommt. Allemal ein beeindruckender Kerl:
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Chris kann mich nicht beeindrucken. Du kennst meine Cousins nicht, ich meine die aus dem Spessart!
Der Riesengebirgszweig drohte mit mir auszusterben.
Da gab ich mir Mühe und starke Töchter kamen zur Welt.


Glückwunsch zu den Töchtern! Ist doch immer schön zu sehen, was aus den Früchtchen wird:
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hallo björn,

ich find das sehr brutal. es ist gemein dass jemand geschlagen wird weil er kleiner ist als andere. ich würde ihnen eine reinhauen.

.... so deine nichte ;-) .... woher das nur kommt.
bruder, liebste grüße.
wollte dich heute anrufen, leider voller zahnschmerzen (wurzelbehandlung jetzt auch noch am mittwoch, umzug dann samstag). morgen abend?
dicken knutscher von uns beiden - s

Sel, bitte wünsche Deiner Mutter 'Gute Besserung' von mir. Und, daß jemand geschlagen wird, weil er kleiner ist als andere, finde ich auch gemein. Dass Du ihm eine reinhauen würdest, ist vielleicht nicht die friedlichste Lösung - aber Du hast Dir einen dicken Knutscher verdient, weil Du so ziemlich das Netteste bist, was hier auf dem Planeten herumläuft. Und Du scheinst Deiner Urgroßmutter recht ähnlich zu sein! Aber die Familiengeschichten haben vielleicht noch ein paar Jahre Zeit. Dann erzählen wir Dir etwas über Deine Herkunft:
Selena Special

ich finde das sehr lustig, vielen dank.
einen dicken kuss!

Die anderen sind auch nicht schlecht:
Selena Special

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