19
Nov
2010
Sopranflöte
Das Konzert der Flötenschule fand um sechzehn Uhr statt. Im Villenviertel. Weiße Altbauten, Volvo Kombi, ein Hündchen mit roter Jacke. Nummer 34a, links die Einfahrt rein, am Haus vorbei. Hinten der Friedrich-Rittelmeyer-Saal. Im Garten.
Und dann: Töne über Töne! Zwei kniehohe Mädchen mit Schleifen in den Haaren und einer beklatschten Melodie, die aus C, D und F bestand.
Ein Damenquartett mit nervösen Blicken – drei ihrer Flöten waren gestimmt, die vierte einen Halbton drüber. Die Damen spielten schief, zuckten mit den Schultern, ließen schließlich die Instrumente sinken und riefen nach der Lehrerin. Die rauschte heran in ihrem schwingendem Kleid und den Tanzschuhen. Graue strenge Haare, Nickelbrille, gebeugter Kopf, winzig und dürr. Und suchte aufgeregt in den Noten („Jaaa, jaaa, das ist ja gar kein Problem. Gaaar kein Problem, hier … wo ist denn das jetzt …?"). Sie zeigte auf die Stelle, bei der wieder begonnen werden sollte und das Drama begann erneut.
Später ein Trio mit einem Mädchen, das im Rollstuhl saß und wohl Fehler bei ihrer Mitspielerin hörte. Strafendes Auge nach oben und langsames Kopfschütteln – mit Flöte!
Und wieder die Lehrerin mit ihrem „Sooo, jetzt spielt uns die Lisa mal den tiefsten Ton auf ihrem Instrument, sooo, jaaaah! Oooooh!“ Und das alles in den engen Reihen der Elternschar. Weit vom Ausgang und sogar weit vom nächsten Gang entfernt. Wie früher! Eingezwängt. Verdammt, die ganze Stunde – bis zur Pause – auf dem kleinen Steckstuhl auszuharren!
Quer am 21.11.10 8:36
Meine Güte, das ist wieder mal Anschauungsunterricht erster Güte! :-)
Ja, ja, der Ton macht die Flötenmusik!
Liebe Sonntagmorgengrüsse,
Brigitte
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von Quer am 23.11.10 1:18
Na, dann machen wir doch gleich mal eine Serie. Anschauungsunterricht N°1: Audio-Slide
Ronald am 22.11.10 20:04
So wie sich das Konzert anhört, bin ich mir fast sicher, dass die Kleinen das nicht freiwillig machen, sondern von ihren Eltern zum Unterricht geschickt werden ...
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von Ronald am 23.11.10 1:06
Manche sicher. Aber die Kleine, deretwegen ich im Villenviertel war, freut sich wie eine Schneekönigin über ihre Querflöte, und pustet, was das Zeug hält! Das Besondere an der Vorführung war, daß es eine Welt voller Klischees war. Bezaubernd. Aber unheimlich, welch klassische Formen das Leben annimmt. Der Kleinen war das egal. Die hat sich sogar gefreut, vorpusten zu können. Bei manchen muss es eben raus: Audio-Slide
Holger am 22.11.10 21:22
Ich war wohl noch nie bei solcher Veranstaltung. Schade. Zwar würde ich den halben Ton nicht genau raushören, aber hinterher ließe es sich doch gut Klugscheißern. Nach dem Motto: "Etwas mehr Pathos bei der Piccoloflöte hätte gut getan". Oder ähnlich.
Wenn meine Gitarre leicht verstimmt ist, ist das auch nicht weiter schlimm. Kommen fast nur noch Moll-Töne heraus.
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von Holger am 23.11.10 0:54
Es hatte auch viel von Bullerbü, also pack' jede Gelegenheit beim Schopf! Notfalls am Ohr! Einer ausführlicheren Diskussion bedarf allerdings die These, daß Moll ein verstimmtes Dur sei. Nehmen wir uns hierzu die Quellen vor (unfassbar gute Fotos obendrein): Audio-Slide
litteratte am 29.12.10 17:07
Flöte ist aber auch undankbar.
Ich musste auch kürzlich zum Musikschulkonzert. Eine ratemal 14 jährige, hat ganz sauber ein Renaissence-Stück dargeboten (Flöte) und der Saal war nach fünf min unruhig. Anschließend trällerte eine gleichaltrige Diva Last Christmas und die Herzen flogen ihr zu.
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von litteratte am 30.12.10 23:10
Da scheint sich die Welt schon früh in Hungerkünstler und Rampensau zu teilen. Kann mich an eine Schulaufführung erinnern, auf der ein stilles Mädchen die 'Ballade pour Adeline' vortrug (ich hoffe, Du erinnerst diesen Gassenhauer, mit dem Richard Clayderman damals in die Ohren des Bürgertums kroch). Gebannte Stille, der letzte Ton und – donnernder Applaus! Das stille Mädchen glühte vor Freude und Überaschung, ein leichter Schauer flog durch ihren Bauch, und endlich, endlich wurde sie von allen gesehen. Als jemand, der Freude bereiten, der strahlen und der auch geben kann: Audio-Slide
litteratte am 1.01.11 19:01
Fast hätte ich den kompletten slide durchgehalten - mein Heroismus ist nochausbaufähig.
Kürzlich wurde "Bowling for Columbine" wiederholt.
War auch schöne Musik drunter......
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von litteratte am 2.01.11 0:34
Erstaunlich, daß Du mehr als den Anfang geschafft hast. Meiner Meinung nach eine der schlechtesten Audio-Slideshows, die ich kenne. Und das von der Navy! Was für Unsummen an Schleifen die haben, und dann kommt so ein Zeug heraus. Zum Beispiel der Übergang von der ersten zur zweiten Musik. Da passt ja gar nichts.
litteratte antwortete auf den Kommentar von O. Ekdahl am 5.01.11 16:24
Gut, das hätt ich jetzt nicht soo .. o, aber wo du recht hast...!