07
Jan
2011
Spessart, Tag 2
Was gefriert:
Zahncreme hält sich tapfer bis -10°, Listerine Mundspülung trotzt allem (-15° kein Problem, hartnäckiges Zeug); Olivenöl wird fest, ist aber hübsch löffelbar; Hansaplast Wunddesinfektionsspray unbrauchbar, gefriert sofort (ersetzen durch Listerine?); Deo-Roller: keine Chance, muss wie das Hansazeug direkt an den Körper; feuchtes Toilettenpapier: friert (was doof ist – vor allem, wenn man es zu spät merkt …); Lederstiefel, Lodengamaschen: bretthart (eigentlich in den Schlafsack, da aber schon Überbelegung wg. Trinkwasser und Klamotten) – also morgens mit warmen Socken in die eiskalten Schuhe, dann Gamaschen, Kaffee in die Hand – und nicht unbedingt allzu lange stillstehen … Schladming tut aber gute Dienste, ein Lied:
Lob der Lodengamasche
Oh, Wadenwams! Oh, Waffeleisen! Waschbare Walhalla!
Welch Weber wirkte, walkte dich, du Weltenwunderwunsch?
Ob Warschaus Wälder, Wolgograd …
Journal:
Am Morgen nach der ersten Nacht – mit warmen Füßen – weiter auf dem ‚Eselsweg‘.
Der sich nach einiger Wanderung unter einer verschwiegenen weißen Decke unsichtbar macht. Erst nach dem Queren von verschneiten Äckern, dem Rat eines rüstigen Winterjoggers („Die Straße hoch und dann rechts. Da ist aber nicht gespurt!“ „Ja, ja. Schon klar.“) und nach drei Kilometern Asphalt taucht er wieder auf. Rechts zwischen den Bäumen: ein schwarzes ‚E‘ auf weißem Grund – das Wegzeichen des Eselsweges. Dankbar lasse ich die Straße hinter mir (und die Nahtoderfahrung mit der Unimog-Winterdienst-Flotte).
Der Waldweg ist leicht abschüssig. Kahle Birken, eine Blaumeise, weiter unten ein kleiner Bach. Nur das leise Plätschern ist zu hören, sonst eine zauberhafte Stille, und dann – ‚Flomp!‘ – der Boden gibt nach, und ich stecke (samt Rucksack!) bis zum Kinn im Schnee.
Kurzer Blickwechsel mit der Blaumeise.
Und während ich mit Schwimmbewegungen langsam auftauche, wird mir klar, warum vor mir keine Fußspuren mehr zu sehen waren …
litteratte am 7.01.11 18:49
Du bist verrückt. Keine Frage.
Ich find sowas ja auch geil, aber doch bei Wetter!!!!
( der letzte Absatz gefällt mir besonders)
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von litteratte am 9.01.11 14:47
Wintertouren mochte ich immer. Und Weihnachten und die Tage zwischen den Jahren rauszugehen, heißt eine ganze Reihe von kleinen Verpflichtungen weniger. Was diese Zeit in hüfttiefen, weißen Pulverfrieden getaucht hat. Und dazu ist der Winter imho fast die beste Zeit dafür. Keine Zecken ist ein gewichtiges Argument. Keine Wanderer ein anderes. Keine Brandgefahr (was die Förster sehr entspannt und deutlich toleranter macht), kein Regen. Nur Knirschen im Schnee: Audio-Slide
litteratte antwortete auf den Kommentar von O. Ekdahl am 11.01.11 18:52
Du hast ja recht, eigentlich bin ich auch nur neidisch...
Björn antwortete auf den Kommentar von litteratte am 12.01.11 23:38
Entschuldige, war nicht als Besserwisserei gemeint.
litteratte antwortete auf den Kommentar von Björn am 14.01.11 19:04
NEE, so hab ich das auch gar nicht verstanden.
Ich hab das durchaus ernst gemeint, ich wandere im Harz und auch schon mal im Winter, aber nur Tagestouren.
Deine Argumente für den Winter treffen ja, ich wär nur gern etwas mutiger.
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von litteratte am 15.01.11 1:27
Harz kenne ich nur flüchtig, sah aber super aus. Ziemlich altes Gebirge, oder? Mut übrigens nicht erforderlich. Ist echt Urlaub. Und gegen homongesteuerte Keiler o.ä. hilft es imho immer ein paar A-Böller von Sylvester aufzubewahren. Habe ich aber noch nie gebraucht.
Juli am 8.01.11 12:13
als begeisterte Skandinavien-Hikerin, der nur noch zwei kleine Ausrüstungsgegenstände (und ein wenig mehr Kondition) für eine ähnliche Wintertour fehlen, lese ich deinen Text gerade begeistert, aber richtig grün vor Neid ;)
Fernweh packt mich!!!
Viel Spaß dir!
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von Juli am 9.01.11 15:04
Das verlangt nach dem guten, alten Paul Castaneda (verstoßener Sohn von Carlos Castaneda?). Er bietet ein Training an, das wohl nur mit konstanter Peyote-Überdosierung zu überstehen ist. Pauls Motto: "Push everyone as hard, as fast as we can to get them to step out of the comfort zone!" Audio-Slide
Quer am 8.01.11 18:28
Mir gefällt das auch sehr hier, dieses Extrem-Schreiben nach der Natur!
Und hinterher ist immer alles klar, na klar.
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von Quer am 9.01.11 15:35
Diese Art des Extrem-Schreibens nimmt sich Beschreibungen von Denton zum Vorbild. Ich versuche vor allem die Euphorie in der Stimme des Sprechers abzubilden: Audio-Slide
czz am 9.01.11 6:39
tja , der maximal minimale alleingang im spessart ist wohl ein schönes gegenstück zur toscana- fraktion bzw. zum neuerdings sehr populären jakobsweg ...
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von czz am 9.01.11 16:17
Vermutlich kein reiner Genuss, den Jakobsweg zu gehen. Jeder Blick nach vorn wird wohl auf acht bis neun bunte Rucksäcke treffen. Und in den vollen Pilgerherbergen sicher spannende Geschichten ("Also die alte Blase war ja fast verheilt, aber darunter hat sich jetzt …"). Ich habe aus diesem Grund eine kleine Reisegruppe zusammengestellt, die Anfang April in finis terrae landen und den Jakobsweg von hinten aufrollen wird. Um den beseelten Geschöpfen frontal zu begegnen: Audio-Slide
DasNest am 10.01.11 8:14
Mann, ist das genial, mit solch einem schönen Wortgestöber wach zu werden! Heißen Dank an den autor und an diejenige, die den Tipp getwittert hat! Hier treibe ich mich ganz sicher öfter mal rum! d
O. Ekdahl antwortete auf den Kommentar von DasNest am 10.01.11 11:07
Thx, so ein Kommentar lässt den Montagmorgen freundlicher wirken. Und 'Herumtreiben' klingt gut. Ist nicht das letzte Mal, daß hier geschrieben wird: Audio-Slide
Step am 11.02.11 11:41
Moin moin, mal fon sibirischens Dilemma gehört? brichste ein haste wahl: bleibste drin oder krabbelste raus: frierste tot. wegen was so gefriert. regards.