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Texte von Björn Ziegert

Die Hofmann-Geschichte

„Und ich dachte an ‘ne halbe, oder ‘ne viertel, aber zwei ganze! Und das wurde so hart! Ich lief dann auf der Party herum, und an allen Leuten lief Blut ‘runter, alles voller Blut. Und ich bin so ran und hab‘ ganz vorsichtig gefragt ‚Ey, seid ihr ok?‘ Und die so ‚Hä? Was is’n mit dem los?‘ Und dann hab‘ ich schon gemerkt, daß irgendwas nicht stimmt und bin raus. Und draußen auf der Straße war alles voller Polizisten, wirklich jeder hatte Uniform an. Auch ein Kinderwagen, der die Farben von so ‘nem Bullenwagen hatte, und das Baby! Mit Mütze und grüner Jacke!“
„War Dir denn klar, daß das Halluzinationen waren?“
„Ich musste davon ausgehen.“
 

25 Kommentare

ich war gestern auch auf so einer Halloween-veranstaltung. erst war mir bang, war denn aber nich so gruselig.

waer ich doch auch bloss auf die idee gekommen als polizist zu gehen!

Um Missverständnissen vorzubeugen, kurz der Einwurf, daß es in der Hofmann-Geschichte keineswegs um Hallowen geht.
Dieser amerikanische Brauch verdient ein gesondertes Kapitel, seit Heidi Klum gestand, ihre häusliche Halloween-Deko bestünde überwiegend aus künstlichen Spinnweben ("Wir hängen viele Spinnweben auf. Ja, wirklich sehr viel Spinnweben").
Was steckt dahinter? Was meint sie wirklich?

man mag von Heid halten was man will, aber fuer Halloween legt sie sich ins zeug!

das geilste Halloween kostuem aller zeiten finde ich

Umso verdächtiger. Die Spinnweben, das Kostüm und dann noch diese Meldung im Deutschlandfunk heute, nach der die Spinnweben seit erdgeschichtlich deutlich längerer Zeit als bisher angenommen im Wind wabern. Drei erschreckende Tatsachen. Bringt mich auf die Geschichte eines holländischen Malers, der mir auf der Dachterasse eines Hotels in Madurai berichtete, daß er unter dem Fenster seines kleinen Zimmers eine handtellergroße Spinne zu flachem Wandbelag gematscht, und am folgenden Tag an selber Stelle eine exakt gleich große Spinne derselben Art trotzig gelauert hätte. Fordernd wohl.

Dass es auch nicht um Hoffman geht, habe ich erst spät gemerkt - hätte mir aber auch gefallen.

Feiner Text

Und so reihst Du Dich ein in die Schar der Blumenkinder, die an einem Hofmann gefallen finden. Tauchen doch immer gleich die Bilder von 'Hair' im Kopf auf. Der Film wurde mir damals zusammen mit Maxie Wander und Luise Rinser ans Herz gelegt, was rückblickend mein Befremden erklärt.

Nee, ich meine es hätte mir gefallen, die Geschichte als moderne Hoffmanns-Erzählung zu verstehen.

Was heißt hätte ...

Nachträglich sehe ich ein, daß die Parallele zu unserem baskischen Freund Hoffmann durchaus gewollt war. Denn auch in diesen Wänden spukt der schwarze Romantiker herum. Grad aus dem Regal gegriffen: eine Ausgabe von den 'Elexieren des Teufels'. Die alte Type hat mich selbstverständlich davon abgehalten, der Blutspur von Medardus zu folgen. Doch vielleicht hindert mich mehr als die unleserliche Schrift. Geschenkt wurde mir dieser "schöne, dauerhafte Band auf gutem Papier", so die einleitenden Worte zu Hafis-Lesebücherei, wegen meiner angeblichen Ähnlichkeit zu einer der Hauptpersonen. Welcher ist unklar (die Legende der 'Stammtafel des Medardus' auf Seite 314f, lässt Dunkles ahnen: "sündigt mit" oder "stammt sündig ab von" und dazu verwirrende Pfeile).
So ist es wohl die Furcht, in den Spiegel zu sehen, mehr noch, ich sehe mich schon die alles enthüllende Zeile lesen, und während mir ein Schrei entfährt, und das Haar in der Sekunde schlohweiß wird, zerbirst das Kartenhaus meines Lebens in tausend Stücke, und ohne Maske nun – hässlich und entstellt – stürze ich mich in den Tod.
Noch ein Satz aus Hafis-Lesebücherei: "Die Herausgeber sind überzeugt, daß diese Hoffnung sich erfülle."

Ich muss ca. zehn gewesen sein, da bekam ich "Abenteuer aus aller Welt" geschenkt. U.a. London, Kipling, Gerstäcker und Hoffmann.
"Der Unheimliche Gast" ist überhaupt die Einführungsliteratur schlechthin.
Bleibenden Eindruck haben aber Alle hinterlassen und sind mir noch lieb und gegenwärtig. Sogar Gerstäcker, der als "Trivialiterat " Geschmähte.
Und jetzt guck ich mir die Stammtafel des Medardus an.

Siehe unten, wird zu eng hier.

Ja, hier fällt es mir auch auf: unheimlich blutrot der Hebst, flächendeckend über dem verstockten Grün.

Blutroter Herbst über verstocktem Grün – klingt toll. Und herbstlich:  Audio-Slide

Liebe Litteratte, sehen ja klasse aus, die Cover von den 'Abenteuern aus aller Welt'. Hatte in dem Alter ein ähnliches Erlebnis, als meinem Vater (der über sämtliche Werke der Literatur sonst nur sagte "Das kann man auch in einem Satz sagen") seltsamerweise einfiel, mir bei einem Gang zum Buchhändler einen Stapel klassischer Jugendliteratur zu kaufen. Unfassbarer Tag. Moby Dick, Lederstumpf, Schatzinsel, Robinson Crusoe, Ben Hur, Onkel Toms Hütte, Tom und Huckleberry. Bin dem Hippie, der ihm im Vorbeigehen einen Hofmann in den Kaffee geworfen haben muss, immer noch dankbar.
Dein London, Kipling und der Baske waren leider nicht dabei. Schade, nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn ich früher auf Kipling gekommen und 'The village that voted the earth was flat' gelesen hätte. Die Geschichte (in 'Diversity of Creatures') erzählt, wie während einer Landpartie vier Männer von Dörflern übers Ohr gehauen werden, und daraufhin beschließen, dieses Dorf systematisch fertig zu machen. Das Wissen darum, wie dazu Lokalzeitungen gekauft und Tänze erfunden werden, was es mit der Herde "hochträchtiger hornloser Angusrinder" auf sich hat, und warum die Iren im "hysterisch aufgelösten House of Commons" ihre "Sitzungspapiere als Trichter verwenden, um mit ihnen das korrekte wrumm-wrumm" zu erreichen, hätte sicher dazu geführt, daß ich heute in einem sehr komischen Raumschiff sitzen würde – und ich bedaure dieses Versäumnis meines Vaters zutiefst. Schließen möchte ich mit einem Choral der Geoplan-Gesellschaft, der mir seither Trost und Leitstern ist:
"Hört die Wahrheit, die wir künden,
breitet Licht von Meer zu Meer,
Gott hat uns ein Heim gegeben,
flach und flach auf immerdar."

An das Cover konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern, das existiert schon lange nicht mehr. Erst nach dem ich es mir jetzt ergoogled habe, war es wieder gegenwärtig. Es macht Spass wenn diese alten Geschichten wieder auftauchen und die ihnen zustehende Bedeutung einnehmen.
Als ich, längst erwachsen, zum ersten Mal Dijon-Senf kaufte, tat ich es wegen Jack London und den "Abenteuern eines Tramps".
Ist schon bemerkenswert, was sich da so festsetzt. Senf!

Die Senfgeschichte ist schön. Bin gerade mal zu meinen Jugendbüchern rüber und hab' überlegt, ob mir das mit einem Geschmack ähnlich geht. Aber nein, sind eher Landschaften und Farben. Mir kommt aber der Verdacht, daß meine Vorliebe für Honig (hinter den Gläsern für den Alltag schlummert ein 5l-Topf Waldhonig im Schrank, und ich gedenke aufzustocken) mit einer Strophe aus 'Ferkel trifft ein Heffalump' zusammenhängt. Hier murmelt Pu eine kleine 'Dudelei':
"Es ist wirklich sehr komisch,
ich weiß, ich hatte einen Topf voll Honig,
es stand groß darauf geschrieben,
wo ist der Honig nur geblieben?"
In mir wird sich eine Art Bienenhonig-Besessenheit festgesetzt haben, noch heute spricht mir jede Zeile der Dudelei tief aus dem Herzen.

Mensch Björn, Dich gibt's ja auch noch. Aber was sind denn das für Geschichten? Bei einer Überdosis LSD besteht die Gefahr, von dem Trip nicht mehr runterzukommen (habe ich mal in Chemie gelernt). Dann kann man solche Fragen wie "War Dir denn klar..." nicht mehr beantworten, nie mehr, also sieh Dich vor!
LG - Wolfgang
PS: Schön, mal wieder was von Dir zu lesen.

Die Sorge ehrt Dich, lieber Wolfgang. Bin aber auch während der zehn Jahre Job im Nachtleben niemals auf den Zug aufgesprungen, ist einfach nichts für mich. Kenne aber natürlich aus der Zeit viele, die das anders handhaben, und in mir schlummern eine ganze Reihe von Geschichten, die man (leider) niemandem erzählen kann. Die Frage "War dir denn klar …" kam von mir, und bei der Antwort bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen.

Könnte eine Episode aus „Fear and Loathing in Las Vegas“ sein ...

Ja, so eine Stimmung machte sich breit bei dem Gespräch. Hunter S. Thompson ganz groß. Hatte noch nie von ihm gehört, als mir 'Heeere's Johnny' in die Hände fiel: "It was a dark and stormy night when I set out from my house to Jack Nicholson's place far away in a valley on the other side of town. It was his birthday, and I had a huge raw elk heart for him."
Die Auflösung der Geschichte ist genial, aber schon die Liste der Mitbringsel hat es in sich: "So I set out to see Jack and his children with all kinds of jokes and gimcracks in my car. In addition to the bleeding elk heart, there was a massive outdoor amplifier, a tape recording of a pig being eaten alive by bears, a 1.000.000-watt spotlight, and a 9-mm Smith & Wesson semiautomatic pistol with teakwood handles and a box of high powered ammunition. There was also a 40-million-candlepower parachute flare that would light up the valley for 40 miles for 40 seconds that would seem to anyone lucky enough to be awake at the time like the first blinding flash of a midrange nuclear device that might signal the end of the world."
Gut, daß er beim Packen an Jacks Kinder gedacht hat.

Wohl wahr! Habe mir übrigens erlaubt, daraus eine 140-Zeichen-Geschichte zu machen: 140 Zeichen (11).

Der Reboot macht einen echten psychischen Abgrund daraus. Wenn diese Halluzinationen nicht drogeninduziert sind, könnte die Lebensgeschichte dahinter spannend sein …

Nette Geschichte, ich habe anhand der Überschrift erst nur gedacht, naja, die Geschichte sei auf Löschpapier geschrieben ;-P Aber anhand der Kommentare (auch wenn ich sie nicht alle gelesen habe, teilweise auch gar nicht verstehe, wenn ich ehrlich bin), im Zusammenhang mit deinem Kommentar auf meiner Seite, ergibt sich da noch ein anderer Eindruck. Ich teile die Meinung, die du dort äußerst, uneingeschränkt. Vielleicht willst du ja nochmal diese hier lesen:

http://bit.ly/uOgH77

http://bit.ly/tVwk8Y

Mir nimmt man es sogar richtig übel, dass ich dieser Meinung bin. So übel, dass man versucht, sie mir auszutreiben...

Peace

Basti

Ja, Löschpapier und Konsorten sind wie gesagt nichts für mich. Würde aber nicht bestreiten, daß es jenseits der härteren Sachen auch Sinnvolles gibt:  Audio-Slide

Ja, aber daran gehen inzwischen auch genügend Menschen kaputt. Und eine Einstiegsdroge ist es definitiv, DIE Einstiegsdroge sogar. Aber im Grunde ist es bei allen Drogen so, außer Heroin, naja und Koka dass hat Menschen in meinem Bekanntenkreis, wenn sies nahmen, auch immer negativ verändert, vor allem menschlich. Das es eben unter 1000 auch immer einen gibt, der es wegsteckt, übertrieben gesagt. Aber eben selbst, wenns nur einer wäre, der es nicht tut, gehört es verboten, gerade in diesem Land. Am Ende ist es nur die Lunte, die dann in das Pulverfass führt, brennenderweise.

Vielleicht ist der Becher Schnaps auch ein Einstieg, vielleicht auch der Priester, der den Kleinen in die Sakristei zog. Bei den Verboten sehe ich viel zuviel Probleme in der Kriminalisierung. Gerade gestern mit einem Polizeioberrat gesprochen, der mir seine Einschätzung zu Gewaltbereitschaft bei Alkohol und weichen Drogen mitteilte. Die würden das Problem am liebsten von der Backe haben und sehen nur die Fahrtüchtigkeit als Problem. Gibt wohl auch sehr grundsätzliche Fragen, mit welchem Recht in Lebensbereiche eingegriffen wird. Wollte hier aber aus mangelndem persönlichem Interesse keine Fahne hissen, sondern anmerken, daß ich jedem MS-Patienten wünsche, man würde in Deutschland das Biedere hinter sich lassen.

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