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Texte von Björn Ziegert

in memoriam

Die anderen sind schon gegangen und warten unten auf mich. Ich sitze an seinem Bett.
Vor mir mein Vater, mit einer Frische im Gesicht wie vor dreißig Jahren, die rechte Hand unter das Gesicht geschoben, friedlich, als würde er schlafen. Immer noch ein Brustkorb wie ein Schrank, und diese schweren Arme von den Semesterferien unter Tage. Und die Haut ganz glatt und ganz vertraut, noch warm, obwohl er jetzt tot ist.
Ich schaue ihn an, während meine Hand auf seiner liegt. Sehe vor mir all diese Bilder, den ganzen Reichtum, der in diesem Leben steckt.  
Was für eine Verschwendung, daß so ein Körper aufhört zu leben.
Und wie schwer es ist, ihn hier zurückzulassen.
Also warte ich noch eine Weile, bleibe einfach sitzen und schaue ihn an. Bis ich dann aufstehen und gehen – und mich im Türrahmen umdrehen werdeAber noch ist Zeit.


In Erinnerung an Helmut Ziegert, Archäologe.
In der Nacht zum Ostersonntag starb mein Vater. Im Beisein von seiner Frau, von uns drei Kindern und seinem Schwiegersohn. Er war zufrieden mit seinem Leben, geistig klar, mutig und ruhig, und starb so, wie man es einem geliebten Menschen wünscht. Er lässt alle grüßen.

Gemein

Zwei Brüder, eine Schwester machen drei
Die vierte war ein kleines Kuckucksei
Man hieß sie dumm, man hieß sie doofes Schwein
Geschwister können hart und grausam sein

Sie war von einer Liebelei im Krieg
Der Mann war fort, er kämpfte für den Sieg
Und kam zurück und sah und sah genug
Und seitdem hieß die Kleine nur 'Betrug'

Sie war für sich. Sie wurde groß. Sie trank
Es fiel ihr schwer zu atmen. Sie war krank
Sie hat sich dann im Totenbett beklagt
Man hat ihr von der Sache nichts gesagt


(Notiz: Für meine Tante Gunde, mit der wir auf der Terrasse Zigaretten rauchten. Und über 'die da drinnen beim Familienfest' schimpften. Wir hatten prima Zeiten. Tolle Frau. Leider hat sie nie erfahren, warum man gemein zu ihr war. Sie ist Montag früh gestorben)

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